Ein Ingenieur (Jean-Louis Trintignant) – mitte 30, praktizierender Katholik – beobachtet in der Kirche eine keusch wirkende Frau (Marie-Christine Barrault). Schlagartig wird dem Mann bewusst, dass er diese Frau, die er nicht kennt und von der er nichts weiss, heiraten wird. Diese Überzeugung wird herausgefordert, als ihn ein weihnächtlicher Schneefall an der Heimfahrt hindert und er stattdessen eine Nacht und den darauffolgenden Tag mit der attraktiven (geschiedenen!) Ärztin Maud (Françoise Fabian), der Freundin seines atheistischen Bekannten verbringt. In dieser kurzen Zeit geraten seine Gewissheiten ins Wanken. In einem nicht abbrechenden Gedankenstrom unterzieht er Gegensatzpaare wie Zufall und Bestimmung, ewige Liebe und Abnutzung der Gefühle, Körper und Geist, freier Wille und göttliche Gnade, Religiosität und Unglaube, Prinzipienfestigkeit und Flexibilität einer eigehenden Prüfung.
Gekonnt inszenierter Menschenfreund Éric Rohmer – dessen Geburtstag sich am 4. April zum 100. Mal jährt – 1969, ein streng komponiertes psychologisches Rezitationsdrama, das Kameramann Néstor Almendros in Bilder übersetzte, die trotz räumlicher Beschränkung eine erstaunliche visuelle Spannkraft entfalten. Jean-Louis Trintignant, eben 89 geworden, fand mit «Meine Nacht bei Maud» zu einem ersten Höhepunkt in seiner damals bereits schon 20-jährigen Kinokarriere.
Film wurde auf SRF ausgestrahlt am Samstag 21 März 2020, 10:51 Uhr.