Corinnes T.’s Ehe war ein Albtraum, der zwölf Jahre dauerte: Nach der Geburt des gemeinsamen Kindes fühlte sich ihr Ehemann vernachlässigt, tröstete sich mit Alkohol und wurde gewalttätig. Mehrere Male brach er Corinne T. das Nasenbein und schlug sie spitalreif. Die Demütigungen und Schläge führten dazu, dass Corinne T. jegliches Selbstwertgefühl verlor. «Es war wie eine Gehirnwäsche – ich war überzeugt davon, dass ich nichts wert war und ich dankbar sein musste, dass er sich überhaupt mit mir beschäftigte», erzählt Corinne T. Mona Vetsch. Heute habe sie sich mit Therapie und viel Selbstliebe aus der Opferrolle befreien können. Doch das Erlebte hinterliess auch bei ihrem Sohn Spuren. Darum rät sie Betroffenen: «Wenn ihr nicht wegen euch gehen könnt, geht wegen eurer Kinder!» Denn anders als vermutet, habe das gemeinsame Kind jede einzelne Facette des jahrelangen Terrors mitbekommen.
Mona Vetsch trifft auch Bloggerin Morena Diaz. Diese wurde 2018 von einem guten Freund vergewaltigt und machte diese Straftat in den sozialen Medien öffentlich, um das Tabu «sexualisierte Gewalt» zu brechen. Danach erntete sie nicht nur viel Verständnis und Empathie von anderen Frauen und Betroffenen, sondern auch Schuldzuweisungen und Häme: Viele solidarisierten sich mit dem Täter statt mit dem Opfer. Morena Diaz wurde für die Tat verantwortlich gemacht oder gar als Lügnerin betitelt.
Auch Walter Nowak wurde nicht geglaubt, was er als kleiner Junge hinter den dicken Mauern des Klosters Fischingen erlebt hatte: Er wurde von einem Pater aufs Schändlichste missbraucht. Doch damit nicht genug: Weil seine schulischen Leistungen als Folge des Missbrauchs absackten, wurde der 14-jährige Walter in die psychiatrische Klinik Münsterlingen eingewiesen und dort – als menschliches Versuchskaninchen – für Medikamentenversuche eingesetzt. Unter den körperlichen Folgeschäden leidet Nowak bis heute. Und auch die seelischen Wunden sind unheilbar. Doch Walter Nowak kämpft bis heute für sein Recht.
Mona Vetsch lernt Mobbingopfer Maik Bisquolm kennen, erfährt bei der Opferhilfe beider Basel, warum sich Opfer von Gewalttaten so oft im Stich gelassen fühlen und spricht mit Psychiaterin Rosilla Bachmann darüber, ob und wie Betroffene das Erlebte hinter sich lassen können. Im Gespräch mit Yves Bossart, Moderator von «Sternstunde Philosophie», wird klar, dass sich schon die alten Römer mit Selbstliebe, Resilienz und Vergebung beschäftigt haben und dass es Nietzsche war, der die Weisheit «Was dich nicht umbringt, macht dich stärker», geprägt hat.
Reporter wurde auf SRF ausgestrahlt am Sonntag 10 Juli 2022, 20:05 Uhr.